Drei Wörter, die die Welt bedeuten

Es fühlt sich schon etwas seltsam an. Die Uhr zeigt 13.30 Uhr an, ich liege hier auf der Wiese und döse vor mich hin. Ein paar Meter weiter fließt die Donau. Gleichmäßig und ruhig. Ich befinde mich auf einem Campingplatz in der Nähe von Belgrad. Es ist einer der wenigen lauffreien Tage während der Europa-Etappe. Ich genieße den Zustand, einfach nur dazuliegen und nichts zu tun. Eine Wohltat für Geist und Körper. Ich lasse meine Beine baumeln, schaue in den wolkenfreien Himmel und nippe an meiner Wasserflasche.

Am Vormittag waren Theo und ich an der Deutschen Schule in Belgrad und sprachen mit den Schülerinnen und Schülern über die Zukunft, über Veränderung, über Glück. Ein Element bei jeder Veranstaltung sind die sieben Fragen, mit denen sich die jungen Menschen während eines Vortrags beschäftigen. Dafür erhalten sie ein kleines Büchlein, in das sie ihre Antworten schreiben können. Das Ziel dabei: Die Antworten der Kinder und Jugendlichen werden veröffentlicht und geteilt.

Die Antworten der jungen Menschen interessieren mich. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich eine neue Stimme lesen darf. Ich schnappe mir eine Handvoll der Büchlein und fange an zu lesen. Die Antworten der Kinder sind ganz unterschiedlich. Manchmal steht da nur ein Wort, ein anderes Mal bekomme ich eine ganze ausgefüllte Seite überreicht, die eine Antwort ist tiefschürfend, fast schon philosophisch, die andere ganz einfach. Das eine Kind hat seine Botschaft durch ein Bild oder eine Skizze kundgetan, das andere durch eine Frage oder Gegenfrage. Und das Nächste hat gar nichts geschrieben.

Ein Büchlein erregt meine besondere Aufmerksamkeit. Es stammt vom zehnjährigen Luis. Auf der ersten Seite stehen zunächst sein Name, sein Alter und das Land. Dann folgen die sieben Fragen. Die letzte in der Reihenfolge ist die Frage nach der Botschaft: Was möchtest du den Staats- und Regierungschefs gerne mitteilen? Beim Lesen seiner Antwort kribbelt es auf meiner Haut. Sie drückt genau das aus, was vielen jungen Menschen auf der Seele liegt. Ich lese seine Antwort noch einmal, lege dann das Büchlein für ein paar Sekunden beiseite und greife es mir erneut. Ich habe kein konkretes Bild von Luis im Kopf, habe den Jungen vielleicht nur flüchtig während des Vortrags heute wahrgenommen.

Luis, dieser kluge kleine Mann, schrieb etwas, was normalerweise selbstverständlich ist und im Alltag gewöhnlich nicht weiter beachtet wird. Ein Thema, womit wir uns Erwachsene oftmals schwertun. Eine Fähigkeit, die wir häufig vernachlässigen. Seine Antwort klingt so einfach, so einleuchtend und ist gleichzeitig manchmal so unglaublich schwer umzusetzen. Weil wir bewerten, beurteilen, urteilen. Weil wir uns selbst nicht zurücknehmen wollen, weil wir kein ehrliches Interesse an unserem Gegenüber haben. Manche sagen, es sei die Brücke zur Empathie. Helmut Schmidt sprach von einer Tugend, die jedem Politiker dringend zu wünschen sei. Goethe meinte gar, es sei eine Kunst.

Luis drückt mit seiner Botschaft an die Staats- und Regierungschefs das aus, worum es im Kern bei 7 CONTINENTS geht. Was die Essenz des Projekts ist. Besser hätte ich es nicht formulieren können. Drei Wörter. So klar, so prägnant, auf den Punkt gebracht:

„Hört uns zu!“

Das ist ein Kapitel meines neuen Buches „7 CONTINENTS – Mein Lauf um die Welt, zu den Menschen und zu mir selbst“, das am 25. November 2020 erschienen ist.

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